Bei der Ideensuche hirnt es sich gemeinsam besser als einsam. Darum spannen Chefs ihre Mitarbeiter gern zu Teams zusammen - und schon lehnen manche sich entspannt zurück und lassen die Kollegen rackern.
Praktisch keine Stellenanzeige kommt heute ohne die Floskel
aus, dass vom Bewerber Teamfähigkeit erwartet wird - die Schlüsselqualifikation
schlechthin. Kreativ und kommunikativ sollen Mitarbeiter sein, mit den
unterschiedlichsten Kollegen klarkommen, sich mühelos in jede Gruppe einfädeln
und in den Dienst der gemeinsamen Sache stellen.
Kritiker dagegen sprechen von der "Teamlüge" -
weil sie individuelle Arbeit für weit fruchtbarer halten und Führungskräften
vorwerfen, nur einem modischen Managementideal zu folgen, statt Teamarbeit
gezielt und sinnvoll einzusetzen.
Was denn nun? Und für welche Arbeiten braucht man wirklich
ein Team?
Sicher nicht für alle. Teams auf Krampf aufzubauen oder weil
alle es so machen, schafft Probleme. Das ist kein Selbstzweck und geschieht zu
inflationär. Bei vielen Projekten braucht das Unternehmen kein Team; eine
Gruppe tut es auch - nämlich ein gut organisiertes Nebeneinander.
Wenn in so einer Gruppe die Zusammenarbeit funktioniert und
sie zudem mit klaren Zielen geführt wird, ist das Gold wert. Versucht man aber,
ohne Not und echten Nutzen daraus ein Team zu formen, kann es zu
Unzufriedenheit kommen. Schnell entsteht der Eindruck, man würde unnötig Zeit
verschwenden durch zu viele Absprachen.
Wir neigen zum unbewussten Faulenzen im Team
In manchen Fällen aber braucht es ein Miteinander und
Füreinander, um die Arbeitsaufgaben effektiv und effizient zu erledigen. Dann
ergibt Teamarbeit sehr viel Sinn und ist der Arbeit des Einzelnen und der
Gruppe deutlich überlegen. Allerdings werden vielfach bei Aufbau und
Entwicklung von Teams wesentliche psychologische Kenntnisse vernachlässigt -
zum Beispiel über unbewusste Faulheit in Teams. Die Wissenschaft kennt das
Phänomen als Social Loafing (von to loaf = faulenzen, herumlungern): Wenn in
einem Kollektiv nicht deutlich wird, wer welche Leistung bringt und wem die
Erfolge zugeordnet werden können, sinkt die Leistung.
Bekannt ist das auch aus der Tierwelt. So entspricht die
Leistung zweier Zugtiere, die einer Kutsche vorgespannt werden, nicht der
Leistung der beiden Einzeltiere. Im Geschirr bringen beide Tiere auf einmal nur
noch einen Teil der möglichen Leistung. So ist es auch bei Menschen, etwa beim
Tauziehen: Zieht jeder einzelne zum Beispiel 60 Kilogramm, ziehen zwei
gemeinsam nur 110 statt 120 Kilo.
Social Loafing kommt nicht allein bei körperlichen
Leistungen vor. Auch geistig faulenzen wir unbewusst in der Gruppe. Je größer
das Team, umso schwächer die Leistung des Einzelnen. Dabei handelt es sich meist
um kein bewusstes Verhalten: Personen reduzieren ihre Anstrengung, wenn sie
glauben, dass ihr Beitrag für ein gutes Ergebnis der Gruppe entbehrlich ist.
Niemand will schuld sein, wenn's schlecht läuft
Andererseits zeigen Menschen, die ihre Fähigkeiten als
durchschnittlich einschätzen, kein Social Loafing, egal ob die Aufgabe simpel
oder komplex ist. Wer von eigenen überdurchschnittlichen Fähigkeiten überzeugt
ist, neigt bei simplen kooperativen Aufgaben zur Faulheit im Team - aber nicht,
wenn diese Menschen leistungsmäßig durch eine komplexe Fragestellung gefordert
werden.
Nachweislich sind Teams besser, wenn sie aus
unterschiedlichen Fachleuten bestehen, deren Leistungen auf die jeweiligen
Personen zurückgeführt werden können. Ähnliches gilt auch für
Verantwortungsübernahme: Der Einzelne versteckt sich in der Gruppe - niemand
will allein schuld an schlechten Ergebnissen sein. Das zu beachten, ist
besonders wichtig, wenn man effektive Managementteams aufbaut.
Was also tun, damit Teams funktionieren? Fünf Punkte sind
besonders wichtig:
- Das Gruppenergebnis sollte klar von jedem Einzelnen abhängen.
- Die Einzigartigkeit jedes einzelnen Beitrages hervorheben.
- Die Aufgaben so zuschneiden, dass am Ende der Input jedes Einzelnen noch zu erkennen ist.
- Eine Situation schaffen, in der das Individuum in einer Gruppe besonders hart arbeiten muss, damit die Gruppe erfolgreich ist. Gleichzeitig muss die Wertigkeit des Gruppenergebnisses höher sein als die Einzelleistung.
- Wettbewerb hilft und wirkt dem Social Loafing entgegen. Besonders eindrucksvoll gelingt dies, wenn das Ergebnis mit einer konkurrierenden Gruppe verglichen wird.
Um unbewusster Faulheit entgegenzuwirken, zählen vor allem
zwei Faktoren: Gute Teams haben einen starken Zusammenhalt, eine soziale
Identifikation des Einzelnen mit der Gruppe - genau dieses Ziel verfolgen
Managementberatungen bei gezielten Teamentwicklungsmaßnahmen. Und: Wenn irgend
möglich, setzen sie die Teams mit Mitarbeitern beider Geschlechter zusammen.
Arbeiten nämlich Angestellte mit einem Partner des anderen Geschlechts
zusammen, den sie für besser halten, steigt ihre Leistung.
Teamarbeit nur in wirklich sinnvollen Fällen, klar
erkennbare Einzelbeiträge fordern, die richtigen Mitarbeiter einbinden, für
Wettbewerbsmomente sorgen: So sollte es gelingen, ein optimales Team
aufzustellen und gute Leistungen zu erzielen. Von "Teamlüge" kann
dann keine Rede mehr sein.
Quelle: www.spiegel.de vom 11.09.2012