„Ich arbeite als Lagerarbeiter bei einem
Industrieunternehmen. Da ich keine internen Perspektiven sehe, habe ich mich
extern auf Positionen mit erster Führungsverantwortung beworben. Jetzt liegt
mir ein konkretes Angebot von einem Unternehmen vor als Lagerleiter, ich warte
aber noch auf die Rückmeldung von einem anderen Unternehmen, bei dem ich bereits
zwei Vorstellungsgespräche hatte. Diese Position finde ich sowohl aus
inhaltlichen wie auch aus finanziellen Gründen eigentlich interessanter. Was
kann ich tun?“
Sie stecken in einer Situation, in die vom Auszubildenden
bis zum Top-Manager jeder kommen kann. Theoretisch haben Sie nicht weniger als
vier Möglichkeiten, damit umzugehen.
Erstens: Sie unterzeichnen das Angebot und kündigen wieder,
sobald Unternehmen Nummer zwei Ihnen ein Angebot macht. Allerdings gibt es
Arbeitsverträge, die eine Kündigung vor Dienstantritt ausschließen, und auch wenn man aus einem Arbeitsvertrag in der
Probezeit kurzfristig wieder herauskommt, sollten Bewerber Verträge genauso
ernst nehmen, wie sie das vom Arbeitgeber erwarten. Stellen Sie sich einmal
vor, Unternehmen würden so handeln und sich nach Vertragsabschluss weiter nach
besser geeigneten Bewerbern umschauen.
Die zweite Möglichkeit: Sie nutzen die Bedenkzeit aktiv,
kontaktieren Unternehmen Nummer zwei, fragen nach dem Stand der Dinge und wann
mit einer Entscheidung zu rechnen ist. Betonen Sie dabei, dass ein Angebot von
Unternehmen Nummer zwei für Sie aus inhaltlichen Gründen Priorität habe. Wenn
man Ihnen kurzfristig ein Angebot macht, können Sie dieses prüfen und – wenn es
passt – unterschreiben. Wenn Unternehmen Nummer zwei kurzfristig kein Angebot
machen kann oder möchte, entscheiden Sie nach Ihrer persönlichen
Risikoveranlagung: Mit der Unterschrift bei Unternehmen Nummer eins sind Sie
auf der sicheren Seite, mit der Absage weiterhin bei Unternehmen Nummer zwei im
Rennen, allerdings ohne Ihre tatsächlichen Chancen zu kennen.
Die dritte Variante wäre: Sie unterzeichnen das Angebot von
der ersten Firma und sagen sofort bei Unternehmen Nummer zwei ab. Und dann
beschäftigen Sie sich auch nicht mehr mit der Frage, was aus der Geschichte
hätte werden können.
Oder viertens: Sie nutzen die Bedenkzeit nicht und
versuchen, Unternehmen Nummer eins hinzuhalten. Das weckt jedoch irgendwann
Zweifel an Ihrer ernsthaften Motivation für diese Position. Denn selbst wenn
Sie doch noch zusagen würden, stünde Ihr Start nicht mehr unter den allerbesten
Vorzeichen.
Wie Sie sehen, empfehle ich von den vier Möglichkeiten nur
zwei ernsthaft. Die Entscheidung mag schwerfallen, muss aber getroffen werden.
Damit ist diese Situation auch ein Test Ihrer Entscheidungsfähigkeit, die von
Ihnen als zukünftige Führungskraft erwartet wird.
Quelle: www.berliner-zeitung.de/karriere vom 21.08.2012 von
Michael Stephan