Kinder müssen die Kosten für die Pflege ihrer Eltern
übernehmen, auch wenn sie jahrzehntelang keinen Kontakt hatten! Das urteilte der
Bundesgerichtshof (Az.: XII ZB 607/12).
Der Fall: Ein Mann muss 9000 Euro Heimkosten für seinen vor
zwei Jahren verstorbenen Vater zahlen – und das, obwohl der Vater vor 40 Jahren
den Kontakt zu seinem Sohn abgebrochen und ihn bis auf den Pflichtteil enterbt
hatte.
Wann müssen Kinder bezahlen?
Wird ein Elternteil arbeitslos und bezieht Hartz IV, zahlt
das Jobcenter. Das Einkommen der Kinder wird nur berücksichtigt, wenn sie mit
ihren Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft leben.
► Reicht die Rente oder das Einkommen der Eltern nicht für
Strom, Miete oder Lebensmittel, zahlt der Staat eine Grundsicherung (Miete,
Nebenkosten, Heizung). Das Kind muss nicht aufkommen – außer es hat ein
jährliches Gesamteinkommen von über 100 000 Euro (Brutto abzüglich
Werbungskosten).
► Wenn ein Elternteil pflegebedürftig wird und kommt deshalb
in ein Heim, zahlt die Krankenkasse dafür maximal 1550 Euro in der Pflegestufe
3 (Pflegestufe 1: 1023 Euro, Stufe 2: 1270 Euro). Meist reicht das nicht –
können die Eltern die Mehrkosten nicht durch Rente, Vermögen oder
Versicherungen abdecken, müssen die Kinder aushelfen.
Wie viel Geld muss ich bezahlen?
Vom Netto-Einkommen des Kindes (wichtig: nicht das
Familieneinkommen!) werden ein Freibetrag (1600 Euro für Alleinstehende, 2280
Euro für Ehepaare) und die unvermeidbaren Ausgaben (z. B. Unterhalt für Kinder)
abgezogen. Von dem, was danach übrig bleibt, muss das Kind die Hälfte für den
Unterhalt der Eltern aufbringen.
Ist jedes Kind zur Zahlung verpflichtet?
Ja, sowohl ehelich als auch unehelich geborene Kinder. Laut
Paragraf 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches sind Verwandte, die in gerader
Linie voneinander abstammen, unterhaltspflichtig.
Wie ist es bei Geschwistern – wenn eines mehr Geld hat?
Jedes Kind muss zahlen, soviel es kann. Beispiel: Ein Kind
hat ein verbleibendes Nettoeinkommen von 2000 Euro. Es muss also bis zu 1000
Euro für den Unterhalt der Eltern zahlen. Dem anderen Kind bleiben dagegen nur
200 Euro – es muss bis zu 100 Euro zahlen. Den Rest übernimmt das Sozialamt.
Die Kosten werden im Verhältnis des Einkommens unter den Geschwistern geteilt.
Können sie mir mein Haus wegnehmen?
Nein. Wenn Sie Immobilien vermieten, wird die Miete bei den
Einnahmen angerechnet.
Aber: Niemand kann Sie zwingen, Immobilen zu verkaufen.
Lebensversicherungen müssen dann aufgelöst werden, wenn sie nicht für die
Alterssicherung notwendig sind.
Bin ich verpflichtet, meine Eltern zu Hause zu pflegen, wenn
kein Geld fürs Heim da ist?
Nein.
Können die Eltern ein teures Heim aussuchen und ich als Kind
muss es zahlen?
Finanzieren Sie als Kind das Heim mit, können Sie bei der
Heimsuche mit entscheiden.
Muss ich auch zahlen, wenn meine Eltern ihr ganzes Geld
verprasst haben?
Wenn die Eltern in Luxus gelebt und die Kinder z. B. auch bei
der Ausbildung nicht unterstützt haben, ist Anspruch auf Unterhalt in der Regel
verwirkt. Das sollten Sie aber gegebenenfalls mit Rechnungen und Zeugen belegen
können.
Zahle ich auch für die Schwiegereltern?
Nicht direkt. Aber Ehepartner ohne eigenes Einkommen haben
gegenüber ihrem Partner einen Taschengeldanspruch (5 bis 6 % des
Netto-Einkommens). Davon nimmt sich das Sozialamt die Hälfte.
Muss ich auch zahlen, wenn meine Eltern mich misshandelt
oder weggegeben haben?
Nicht im vollen Umfang. Aber: Laut Urteil des
Oberlandesgerichts Celle (Az.: 15 UF 272/09) darf es eine komplette
Unterhalts-Streichung nicht geben, weil sonst der Steuerzahler voll mit den
Aufwendungen belastet wird, obwohl unterhaltspflichtige Angehörige da sind.
Erwachsene Kinder müssen auch dann für Heimkosten ihrer
Eltern aufkommen, wenn sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hatten.
Kann ich mich von meinen Eltern „scheiden“ lassen?
Nein. Sie bleiben das Kind Ihrer Eltern und damit auch
unterhaltspflichtig.
Was ist mit medizinischen Leistungen (z. B. teuren
Operationen)?
In dem Fall müssen Kinder nicht für ihre Eltern zahlen.
Wie kann ich mich gegen Unterhaltsansprüche wehren?
Haben Sie Zweifel an den Forderungen, dann zahlen Sie die
vorerst nicht! Sprechen Sie persönlich beim Sozialamt vor. Gibt es weiter
Streit, wird das Sozialamt klagen.
Wichtig: In diesem Fall ziehen Sie einen Anwalt zu Rate.
Infos zu außergerichtlicher Rechtsberatung gibt es beim
Bundesjustizministerium unter: www.bmj.bund.de
Fachliche Beratung: Rechtsexperte Wolfgang Büser
Quelle: 12.02.2014 – Bild.de von A. SELL, E. STEINBRECHER
und F. ESSER