Non scholae, sed vitae discimus – nicht für die Schule, fürs
Leben lernen wir. Und wir lernen lange. Genau genommen ein Leben lang. Das ist
natürlich eine Binsenweisheit. Die Geschichte vom lebenslangen Lernen wird
ungefähr so oft geleiert wie “Last Christmas” von Wham!. Wobei allerdings immer
wieder bezweifelt, dass das überhaupt geht: lebenslang lernen. Motto: Was
Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Aber stimmt das auch? Lernen wir
mit dem Alter tatsächlich immer schlechter und weniger? Dazu gibt es zwei
hübsche Studien.
Die eine dazu stammt von dem Neurologen Arne May vom
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Der stellte vor rund vier Jahren 20
Männer und 24 Frauen vor eine neue Herausforderung: Sie sollten jonglieren
lernen – in nur drei Monaten. Und die Bälle sollten danach auch noch mindestens
60 Sekunden in der Luft bleiben. Bei den Probanden handelte es sich aber nicht
junge Sportstudenten oder Marktplatzgaukler in spe – die Teilnehmer waren
zwischen 50 und 67 Jahre alt. Und natürlich hatten sie keinerlei Ahnung vom
Jonglieren.
Zugegeben, nicht jeder packte die Aufgabe. Aber das war auch
nicht entscheidend. Entscheidend war vielmehr, was im Gehirn der Probanden
passierte: Wer fleißig gelernt und geübt hatte, dessen Hippocampus hatte sich
im Verlauf der zwölf Wochen deutlich vergrößert. Also jene Region, die bei
unseren grauen Zellen fürs Lernen verantwortlich ist. Man könnte auch sagen:
Die Probanden hatten nicht nur gelernt, sie verbesserten zugleich auch ihre
Fähigkeit künftig noch mehr zu lernen.
Lernen vergrößert den Hippocampus
Die zweite Studie stammt von der Hirnforscherin Eleanor
Maguire vom University College in London. Sie untersuchte die Veränderungen im
Gehirn von Londoner Taxifahrer-Bewerbern. Dazu muss man wissen, dass London
eine der größten und wohl auch kompliziertesten Städte Europas ist. Wer hier
Taxi fahren will, muss sich gut 25.000 Straßenverläufe einprägen. In ein paar
Wochen ist das nicht getan. So mancher Anwärter büffelt vier Jahre dazu.
Und das war auch gut so für Eleanor Maguire. Denn sie hatte
so die Chance, über einen längeren Zeitraum die Gehirne ihrer 79 Probanden (und
31 Kontrollpersonen) per Hirnscan immer wieder zu durchleuchten. Und siehe da:
Wer die Taxifahrer-Prüfung am Ende bestand, hatte ebenfalls einen deutlich
vergrößerten Hippocampus – bei den Teilnehmern der Kontrollgruppe sowie den
Gescheiterten war das Volumen hingegen gleich geblieben.
Was das für Sie bedeutet? Zwei Dinge lassen sich wohl aus
den Studien folgern:
Lernen ist auch im hohen Alter grundsätzlich noch möglich.
Und wer lernt – insbesondere schwierige Dinge -, der verbessert damit seine
Fähigkeit auch künftig Neues zu lernen, erheblich. Allerdings gelingt das nicht jedem (wie die Gescheiterten
zeigen). Eine Garantie, lebenslang zu lernen, gibt es nicht.
Allerdings ist gerade der zweite Punkt auch ein bisschen wie
die Frage, was zuerst da war: Henne oder Ei? Lernen zu können lässt sich
womöglich auch wieder verlernen. Wer irgendwann damit aufhört, weil er oder sie
meint, ausgelernt zu haben oder sich auf das allwissende Internet verlässt
(Fachjargon: Digitale Demenz), schickt seine Oberstube auf Standby. Und den
Hippocampus auf Schrumpfkur. Wer dagegen stetig weiterlernt, lernt nicht nur
immer mehr, sondern auch immer besser.