Ein Fremder rempelt Dich
volle Breitseite auf der Straße an, keine Entschuldigung. Ein Kunde zahlt Deine
Leistung nicht, kein wohlverdientes Geld. Ein Kollege reißt sich hinterrücks
Deine Idee unter den Nagel, kein Applaus für Dich. Ein Chef schreit Dich an vor
versammelter Mannschaft, kein gutes Haar mehr an Dir. Ein Freund sagt zwei
Stunden vorm Abflug die gemeinsame Reise ab, kein Bock mehr auf Zeit mit Dir.
All dies hat eins
gemeinsam:
Es hat nichts mit Dir zu
tun.
Sondern nur mit dem
Anderen. Mit seinen Geschichten, über sich, über das Leben,
vielleicht auch mitseiner Geschichte über Dich, seinem unvollständigen
und verzerrten Bild von Dir – aber nie mit Dir.
Der gemalte Apfel auf dem
Stillleben in 2D ist nicht der Apfel selbst.
Und Du bist nicht
die Geschichte, nicht das Bild im Kopf des Anderen.
(Dem echten Apfel ist egal,
was mit seiner Abbildung passiert. Ob der Maler kommt und das Bild anschreit,
übermalt, oder zerfetzt, zerkaut, schluckt und ausscheidet … der echte Apfel
ist nicht gemeint, nicht berührt und nicht angefressen. Er steht da, prall in
3D, und schaut sich das irre Spektakel aus sicherer Entfernung an.)
Zwar können wir reale Wunden
davontragen, wie auch der Apfel real gebissen werden kann, und natürlich
sollten wir handeln, wenn es uns hilft. Aber das verletzende Verhalten, die
Absicht gilt immer nur diesem Bild von uns im Kopf des Anderen, nicht uns
persönlich. Und oft nicht mal das, oft sind es ganz andere Geschichten und
Bilder, die ihn oder sie so handeln lassen.
Es entspricht also nicht
der Wahrheit, wenn wir etwas persönlich nehmen.
Das zu sehen befreit uns
von einer großen Last.
Wie in dieser kurzen
Zen-Geschichte, die zu meinen liebsten gehört:
Musashi war ein alter
Meister des Schwertkampfs mit vielen Schülern. Eines Tages forderte ihn ein
junger Krieger zum Kampf heraus, der wegen seiner Kraft und dem Talent, alle
Schwächen des Gegners zu erkennen, weit über das Dorf hinaus gefürchtet wurde.
Der junge Mann wollte der erste sein, der Musashi in die Knie zwingen würde.
Die Schüler rieten Musashi
vom Kampf ab, doch er willigte ein. Die beiden gingen in Stellung und der junge
Mann beschimpfte den Meister, bewarf ihn mit Dreck und spuckte ihm ins Gesicht.
Doch der Meister blieb einfach regungslos und ruhig stehen. Das ging über
Stunden so. Schließlich hatte sich der junge Krieger verausgabt. Er gab sich
geschlagen und zog voller Scham davon.
Die Schüler waren
enttäuscht, dass ihr Meister diesen überheblichen Mann nicht zurechtgewiesen
hatte. „Wie konntet ihr so eine Schmach über euch ergehen lassen?“, fragten
sie. Und der Meister sagte: „Wenn einer kommt und Dir ein Geschenk geben will –
und Du nimmst es nicht an: wem gehört dann das Geschenk?“.
Wenn Du das nächste Mal
etwas (zu) persönlich nimmst, dann atme tief und ein und aus denke daran:
Es ist seine Geschichte, sein Verhalten, sein Problem, sein Zorn, sein Misstrauen, seine Ignoranz, seinenges
Herz, sein enger Verstand.
Lass es dort, wo es
hingehört – bei ihm.
P.S.: Was wir persönlich
nehmen sollten, sind unsere eigenen Gefühle. Hat uns ein Verhalten bereits tief
getroffen, brauchen wir nicht so tun, als wäre es nicht so. Statt die Gefühle
wegzuschieben, können wir uns um sie – und um uns – kümmern. Siehe Wie man
schwierige Gefühle überlebt.
P.P.S. Am meisten bringt
diese Übung, wenn wir sie uns zur Gewohnheit machen – wir Menschen sind einfach
Gewohnheitstiere und fallen schnell wieder in das vertraute Verhalten zurück,
nehmen die Dinge zu persönlich, fühlen uns angegriffen. Siehe 12
Gewohnheiten, die dein Leben verändern.
Quelle: http://mymonk.de/zu-persoenlich/ 5. Februar 2015 09:01