Beschäftigte müssen auf Verlangen ihres Arbeitgebers schon
am ersten Krankheitstag ein ärztliches Attest vorlegen, urteilt das
Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Die Arbeitgeber müssen auch nicht begründen,
warum sie bereits so früh auf die Vorlage eines Attests bestehen.
Ein Urteil, das jeden Arbeitnehmer interessieren dürfte:
Arbeitgeber dürfen von ihren Beschäftigten bereits ab dem ersten Tag der
Krankschreibung ein Attest verlangen. Sie müssen demnach auch nicht begründen,
warum sie bereits so früh einen Krankenschein vorgelegt bekommen wollen.
Vielmehr liege es in ihrem Ermessen, dies auch ohne objektiven Anlass von ihren
Mitarbeitern zu verlangen, entschieden die obersten deutschen Arbeitsrichter.
Die Richter mussten entscheiden, ob eine solche Weisung
zulässig ist und ob sie begründet werden muss. In Deutschland gibt es laut
Statistischem Bundesamt derzeit 37,2 Millionen Arbeitnehmer. Bundesweit waren
Arbeitnehmer im vergangenen Jahr durchschnittlich 9,5 Arbeitstage krankgemeldet.
Den niedrigsten Krankenstand der vergangenen 20 Jahre gab es 2007 mit rund 7,9
Fehltagen.
Spätestens am vierten Krankheitstag muss Bescheinigung
vorliegen
In dem verhandelten Fall wurde die Klage einer Redakteurin
des Westdeutschen Rundfunks in Köln zurückgewiesen. Sie war nach einer
Krankmeldung im November 2010 von ihrem Arbeitgeber aufgefordert worden,
künftig schon am ersten Krankheitstag ein Attest vorzulegen. Die Klägerin hat
sich daher in den Vorinstanzen bisher erfolglos gegen die Anweisung ihres
Arbeitgebers gewehrt. Sie vertritt die Ansicht, dass die Weisung willkürlich
sei und das allgemeine arbeitsrechtliche Schikaneverbot verletze. Außerdem
argumentierte sie, dass bei ihr kein Missbrauchsverdacht hinsichtlich der
Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Ihr Arbeitgeber hielt wiederum entgegen,
dass er die Anweisung nicht begründen müsse.
Gesetzlich sind Beschäftigte verpflichtet, ihren Arbeitgeber
unverzüglich zu informieren, wenn sie wegen Krankheit ausfallen. Spätestens am
vierten Krankheitstag muss eine entsprechende Bescheinigung eines Arztes
vorgelegt werden. Das Entgeltfortzahlungsgesetz räumt dem Arbeitgeber aber auch
das Recht ein, schon früher einen Krankenschein zu verlangen.
Schuss kann auch nach hinten losgehen
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Der Anwalt der Klägerin bedauerte die Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts. "Damit wird ein Gesetzestext zementiert, der aus
unserer Sicht arbeitnehmerunfreundlich ist", sagte Rechtsanwalt Joachim
Gärtner. Es bestehe die generelle Befürchtung, dass Arbeitgeber das als
Willkürmaßnahme missbrauchen könnten. Die Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände hingegen begrüßte die Entscheidung, die Rechtsklarheit
schaffe.
Für den Düsseldorfer Arbeitsrechtler Tobias Törnig kommt die
höchstrichterliche Entscheidung dennoch wenig überraschend. Er rät Arbeitgebern
trotzdem, sich genau zu überlegen, in welchen Fällen sie derartige Anweisungen
treffen: "Der Schuss kann auch nach hinten losgehen", warnt der
Rechtsanwalt. Verlange der Chef schon am ersten Krankheitstag eine
Bescheinigung, zwinge er damit Arbeitnehmer auch beim kleineren Unwohlsein zum
Arztbesuch. "Und die Ärzte schreiben zumeist länger als einen Tag
krank", gibt Törnig zu bedenken.
Quelle: n-tv.de, awi/dpa