Das hat nichts mit Schleimen zu tun, weil das lediglich
Botschaften transportiert, die der andere hören will. Loben dagegen vermittelt
eigene Ziele und verstärkt so gewünschtes Betragen. Jemandem zu sagen, dass er
dieses oder jenes sein lassen soll, wirkt längst nicht so überzeugend wie die
diskrete Einflussnahme durch gezielte Anerkennung: „Der Schmeichelei gehen auch
die Klügsten auf den Leim“, erkannte schon der französische Dramatiker Molière.
Und auch rund 300 Jahre später stellte der Tiefenpsychologe Sigmund Freud noch
fest, dass sich der Mensch wohl gegen Angriffe wehren könne, gegen Lob aber
„machtlos“ sei.
Allerdings: Nichts will so gekonnt sein und wird doch so
vernachlässigt wie intelligenter Applaus.
Napoleon sah den Beifall skeptisch. Für ihn war Lob der
Dolch, nach dem der Mächtige stets Ausschau halten musste. Denn hinter dem
Kompliment verbarg sich womöglich ein widerlicher Opportunist oder ein
Cäsarenmörder in spe. Dabei muss Napoleon die heimliche Macht des Lobens und
des Schmeichelns durchaus bewusst gewesen sein, sonst hätte er wohl nie einen
solchen Argwohn dagegen entwickelt.
Und heute? In nicht wenigen Unternehmen gilt das Motto: Die
Abwesenheit von Kritik ist Lob genug. Wie sagte schon der deutsche Maler Anselm
Feuerbach: „Tadeln ist leicht, deshalb versuchen sich so viele darin. Mit
Verstand loben ist schwer, darum tun es so wenige.“ Und tatsächlich vermissen
deutsche Arbeitnehmer genau das: Lob. So kam eine Erhebung der Hewitt
Associates, bei der 120.000 Mitarbeiter und 3000 Führungskräfte in rund 600
Unternehmen befragt wurden zu dem Ergebnis: 42 Prozent der Arbeitnehmer finden,
dass ihre Leistung nicht ausreichend gewürdigt wird.
Weiter oben in der Hierarchie sieht das nicht anders aus: So
sehnen sich ebenso über 65 Prozent der deutschen Manager nach mehr Lob im Job,
was wiederum eine Umfrage unter rund 970 Führungskräften vom Verband „die Führungskräfte“
und der Kommunikationsberatung Kehkom ermittelt hat. 88,5 Prozent der Befragten
waren zugleich davon überzeugt, dass regelmäßiges Lob den Unternehmenserfolg
steigert. Und hier widersprechen sich beide Umfragen ein wenig. Denn während
die Arbeitnehmer den Applaus vermissen, geben rund 50 Prozent der Manager an,
ihre Mitarbeiter mindestens einmal in der Woche, 25,2 Prozent wenigstens noch
einmal im Monat zu loben. Die meisten tun dies verbal (96,1 Prozent), gut ein
Drittel per Prämien und 24 Prozent durch Gehaltserhöhungen. Dankschreiben (12,6
Prozent) und öffentliche Anerkennung (8,2 Prozent) spielen hingegen nur eine
untergeordnete Rolle. Die Mehrheit der Manager selbst findet übrigens verbales
Lob genauso wichtig wie monetäre Anerkennung (66,5 Prozent) – 22,6 Prozent
bevorzugen allerdings letztere.
Und das könnte das Problem sein. Nehmen wir zum Beispiel
Peter. Peter ist ein Freund von mir und hat einen verantwortungsvollen,
kreativen Job, der ihn ausfüllt und ihm Spaß macht. Jeden Tag kniet er sich
voll rein, arbeitet länger als er müsste, 10-Stunden-Tage sind normal, nicht
selten werden es zwölf. Wenn alles gut läuft, sind seine Chefs zufrieden. Wenn
nicht, gibt es Krisensitzungen. Dass er sich mehr abrackert als manch anderer
im Team, dass er sich im Grunde selbst ausbeutet ohne dass das Einfluss auf
seine Laufbahn oder Leidenschaft hätte, das interessiert keinen.
Es sind immer die Fleißigen, die Leidenschaftlichen und
Engagierten, die darauf besonders sensibel reagieren, wenn der Beifall ausbleibt.
Sie geben alles für ihren Job und spüren gleichzeitig, wie wenig davon
zurückkommt. Was sie auch schaffen, es wird kaum geschätzt, womöglich nicht
einmal registriert. Das frustriert ungeheuer und tut manchmal sogar physisch
weh – als wenn man seinem Partner sagt „Ich liebe Dich“ und der nur antwortet
„Ich weiß“.
Gerade in den mittleren Positionen wird erstaunlich selten
gelobt. Wer die Karriereleiter hochklettert, muss stärker auf Anerkennung
verzichten. Kollegen können sich noch untereinander auf die Schulter klopfen,
aber wenn Mitarbeiter ihre Chefs loben, stehen sie sofort im Verdacht, sich
einschleimen zu wollen. Und je höher einer kommt, desto kleiner wird der
Kollegenkreis, bis hin zur sprichwörtlichen Einsamkeit an der Spitze. Dabei
sind auch Manager nur Menschen, die Anerkennung genauso brauchen wie der Mann
am Band.
Wie Gesten der Hilflosigkeit muten dann Prämien oder
Gehaltserhöhungen an, wenn diese verspätete Würdigung ausdrücken sollen. Hängen
bleibt am Ende dann doch nur eins: Leistung lohnt nicht.
Fehlen positive Rückmeldungen aber, tendieren Menschen dazu,
ihre Patzer zu vertuschen, um wenigstens den Tadel zu vermeiden. Aus
totgeschwiegenen Fehlern kann wiederum keiner lernen und sie wiederholen sich.
Die zweite Folge ist Stress. So konnten Wissenschaftler des Instituts für
Medizinische Soziologie der Universität Düsseldorf belegen, dass fehlende
Wertschätzung Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Leiden fördern kann.
Lob, so die Forscher, senke die Krankheitsrisiken dagegen deutlich. Die
positive Wirkung der Wertschätzung wies auch Albert Bandura,
Psychologie-Professor an der Stanford-Universität, nach: Gelobte sind
motivierter, stecken sich höhere Ziele, fühlen sich diesen stärker
verpflichtet, teilweise unterstellen sie sich sogar bessere Fähigkeiten, was
wiederum ihre Leistungskraft verbessert.
„Es ist ein Zeichen von Mittelmäßigkeit, nur mittelmäßig zu
loben“, mäkelte der US-Präsident Benjamin Franklin. Recht hat er:
Handgeschriebene Zettel, eine aufmunternde E-Mail, ein kurzer Anruf, ein
Schulterklopfen vielleicht sogar – privat oder im Kollegenkreis – sind nicht
nur billiger als Boni, sondern viel wirkungsvoller, weil sie die Rückmeldung um
zwei wertvolle Beigaben bereichern: aufgewendete Zeit und menschliche Nähe.
Zugegeben, Loben kann auch destruktiv wirken. Dann etwa,
wenn es zu einer Art Motivations-Droge mutiert. Ein bauchpinslerisches
„Prima!“, „Super!“ oder „Weiter so!“ kann niemals die eigene, die intrinsische
Motivation ersetzen. Für den Managementberater und Bestsellerautor Reinhard
Sprenger sind solche Lobesarien nichts weiter als „Fremdsteuerung und
Manipulation“ durch Vorgesetzte. Dahinter stecke der Generalverdacht,
Arbeitnehmer seien von Natur aus faul, und wenn man ihnen nicht ab und an eine
Karotte vor die Nase hält, bewegen sie sich nicht. Also muss man sie immer
wieder bedrohen, bestrafen, bestechen, belohnen, belobigen – alles klassische
Indizien einer Misstrauenskultur.
Umgekehrt kann die Aussage, dass einer mehr gelobt werden
möchte, somit auch unfreiwillig entlarven: Sie degradiert den Jammerer zum
unselbstständigen Esel, der seine Möhre vermisst. So jemand profiliert sich
nicht wirklich als Leistungsträger und Leiter in spe.
Fazit: Loben ist keine Holschuld, es bleibt eine
Bringschuld. Für den Einzelnen heißt das, dass er sich davon möglichst
unabhängig machen sollte. Schon im eigenen Interesse. Es heißt aber auch,
möglichst oft selber zu loben – auf Augenhöhe, nach oben wie nach unten.
Richtig zu loben ist aber eine Kunst! Jemandem nur zu sagen
„Gut gemacht!“, reicht nicht – im Gegenteil: Ohne konkrete Begründung verkehrt
sich die Effekt. „Wen jemand lobt, dem stellt er sich gleich“, räsonierte
Goethe. Mindestens. Meist erhöht sich der Lobende sogar, weil er scheinbar als
einziger die fremde Leistung bewerten darf. So funktioniert das nicht. Damit
Komplimente das Herz des anderen wirklich berühren und ihn zur gewünschten
Reaktion bewegen, müssen sie zwei Bedingungen erfüllen:
Lob muss ehrlich
sein. Es muss klar werden, womit es verdient wurde. Unverdienter Beifall lärmt
nur wie verkleideter Spott. Zudem ist jedes Kompliment nur soviel wert, wie der
Mensch, der es verschenkt. Oder wie Lessing einmal sagte: „Der wahre Virtuose
spottet bei sich über jede uneingeschränkte Bewunderung, nur das Lob desjenigen
kitzelt ihn, von dem er weiß, dass er auch das Herz hat, ihn zu tadeln.“
Wichtig ist deshalb, bei den Fakten zu bleiben und weder zu übertreiben, noch
herunterspielen. Je spezifischer die erzielten Erfolge geschildert werden,
desto fundierter wirkt die Anerkennung. So kann der Betroffene auch davon
lernen.
Lob muss emotional
sein. Gefühle wirken stärker als sachliche Argumente. Für die Glaubwürdigkeit
ist daher entscheidend, dass echte Begeisterung des Laudators spürbar wird,
ebenso dass er dem anderen auf Augenhöhe begegnet. Dasselbe gilt für
Einschränkungen – und sei es die kleinste Kritik: Jeder Schönheitsfleck
degradiert das Lob zur Fassade. Deshalb sollte man darauf verzichten.
Lob ist sanfte Manipulation in bester Absicht. Das richtige
Bonmot im richtigen Augenblick überzeugend vorgebracht, hilft nicht nur dabei,
fehlgeleitete Kollegen auf die rechte Spur zurück zu führen. Mit gezielten
Komplimenten können Sie andere enorm ermutigen. Zum Beispiel so:
Zeigen Sie
Interesse. Von all den hier genannten Punkten ist das sowohl der einfachste wie
auch effektivste, andere – seien es Mitarbeiter, Kollegen, Freunde, Partner –
zu ermutigen: Zeigen Sie, dass Sie sich wirklich dafür interessieren, was der
andere macht oder erreichen will. Stellen Sie Fragen. Loben Sie. Bewundern Sie.
Nichts wirkt stärker.
Wertschätzen Sie.
Sprichwörtlich: Also nicht nur Schulterklopfen, sondern schätzen Sie den Wert
der Sache und bestätigen Sie die große Bedeutung dieses Beitrags. Menschen
hassen das Gefühl, nur ein unbedeutendes Rädchen im Getriebe – oder (noch
schlimmer) das Reserverad – zu sein. Umgekehrt: Wenn Sie ihren Plänen und
Projekten einen hohen Wert beimessen – am besten öffentlich – schlägt das
sofort auf das Selbstbewusstsein durch, baut auf und weckt neuen Enthusiasmus.
Bitten Sie um Rat.
Es ist die subtilste Form des Lobes – und kaum jemand kann diesem Antrag
widerstehen, sein Können und Wissen weiterzugeben, weil er darum gebeten wird.
Erstens, weil Sie ihn dadurch erhöhen (Er der Meister – Sie der Schüler);
zweitens, weil er sich so verewigen kann. Schließlich setzen Sie sein profundes
Wissen damit weiter. Und am Ende ist es einfach ein sehr erbauliches Gefühl,
der Welt etwas Gutes von sich hinterlassen zu haben.
Zeigen Sie
Dankbarkeit. Es gibt Menschen, die helfen gerne. Sobald sie Probleme sehen,
packen sie an oder erledigen die Dinge, die getan werden müssen, ungefragt, als
wäre es selbstverständlich. Ist es aber nicht. Und mangelnde Dankbarkeit kann
diese Menschen sehr schnell bitter machen. Dann fühlen sie sich nur noch
ausgenutzt. Traurig und folgenschwer – denn nicht selten sind sie die guten
Seelen, die einen Betrieb oder eine Familie enorm bereichern.
Revanchieren Sie
sich. Pop-Ikone Madonna singt in ihrem Hit „Sorry“ die Zeile „Don’t explain
yourself cause talk is cheap“. Recht hat sie! Ein Dankeschön, gelegentlicher
Beifall und Wertschätzung tun zwar gut – auf Dauer aber können Sie Taten nicht
ersetzen. Reden ist billig. Revanchieren Sie sich ab und an auch – und zeigen Sie
damit, wie wertvoll der vorherige Gefallen oder die gezeigte Leistung
tatsächlich für Sie war.
Überraschen Sie.
Die meisten Menschen, die Überdurchschnittliches leisten oder sich herausragend
engagieren, haben ein gutes Gespür dafür, das dies auch so ist. Deswegen
erwarten Sie meist auch irgendeine Reaktion ihrer Umwelt darauf. Das Mindeste
ist dann Lob oder Anerkennung. Viel größer aber ist der ermunternde Effekt,
wenn Sie über solche Erwartungen hinausgehen. Etwa, wenn Sie dem Betreffenden
aufgrund seiner Leistung einen Tag frei geben. Oder ihm und seinem Partner ein
romantisches Wochenende in einem Nobelhotel spendieren – schließlich haben sich
die beiden in den vergangenen Wochen wegen des wichtigen Projekts kaum noch
gesehen… Egal wie, seien Sie kreativ, spontan und gehen auch Sie bei Ihrer
Wertschätzung über Durchschnittliches hinaus.
Merke: Das Klopfen auf die Schulter liegt zwar nur ein paar
Rückenwirbel über dem Tritt in den Steiß – in Sachen Effizienz ist es diesem
aber deutlich überlegen.
Quelle: www.karrierebibel.de von Jochen Mai